Alzheimer: Abklärung und Diagnosestellung

Bei Anzeichen einer verminderten Gehirnleistung empfiehlt sich eine Abklärung beim Hausarzt. Sind die Resultate auffällig oder unklar, sollte eine weitere, interdisziplinäre, Abklärung stattfinden – meist in einer Memory Clinic. Eine möglichst frühe Abklärung bringt Klarheit und hilft, die Veränderungen zu verstehen, eine Behandlung einzuleiten und besser mit der Demenz zu leben.

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Eine Demenzerkrankung äussert sich durch die dauernde Beeinträchtigung von zwei oder mehreren kognitiven Fähigkeiten des Gehirns, die sich zunehmend auf die Aktivitäten im Alltag oder im Beruf auswirkt. Sie kann vielerlei Ursachen haben. Folgende Veränderungen gelten als Warnzeichen einer möglichen Demenz:

  • Gedächtnisprobleme: Der Person fällt es schwer, sich Namen und andere Informationen zu merken oder Neues zu lernen.
  • Weitere kognitive Probleme: Die Person hat Mühe mit der Sprache, mit dem Planen und Durchführen alltäglicher Dinge, mit dem Erkennen von Gegenständen, Personen oder Orten.
  • Veränderungen der Persönlichkeit und/oder der Stimmung: Die Person vernachlässigt ihr Äusseres, wirkt antriebslos oder unruhig; sie trifft ungewöhnliche Entscheidungen.
  • Sozialer Rückzug: Die Person zieht sich zurück und nimmt kaum mehr am sozialen Leben teil.

Eine Abklärung hilft weiter

Häufen sich die Warnzeichen (siehe oben), so ist eine hausärztliche Abklärung angesagt. Eine frühe Abklärung hat Vorteile:

  • Die Abklärung gibt Aufschluss darüber, ob sich die Leistung des Gehirns tatsächlich verschlechtert hat.
  • Wird bei der Abklärung eine Störung der Gehirnleistung deutlich, wird zuerst nach anderen möglichen Ursachen für die demenzartigen Symptome (z.B. Depression) gesucht. In einigen solchen Fällen lassen sich die Symptome mit der richtigen Behandlung teilweise oder ganz beheben.
  • Bei der Abklärung wird auch nach Zusammenhängen zwischen den kognitiven Störungen und anderen Faktoren gesucht, etwa Problemen mit dem Sehen oder Hören oder Nebenwirkungen von Medikamenten.
  • Ist eine Demenz medizinisch erwiesen, können nichtmedikamentöse Interventionen und eine medikamentöse Therapie den Krankheitsverlauf und die Lebensqualität der Betroffenen positiv beeinflussen.
  • Eine frühe Demenzdiagnose hilft, die Krankheit zu verstehen und auf die Veränderungen zu reagieren. So kann die erkrankte Person wichtige Dinge noch selbstständig planen oder regeln.

Die wichtigsten Schritte der Abklärung

Die Abklärung einer Demenzerkrankung erfolgt in mehreren Schritten. Dabei stellen sich folgende Fragen:

Leichte Vergesslichkeit oder Demenzverdacht?

Zunächst klärt der Arzt oder die Ärztin ab, ob sich die Leistung des Gehirns tatsächlich verschlechtert hat. Eine leichte Hirnleistungsstörung ohne Beeinträchtigung des täglichen Lebens bezeichnet man als «leichte kognitive Beeinträchtigung» (englisch: «Mild Cognitive Impairment» / MCI. Siehe auch das entsprechende Infoblatt).

Eine solche kann verschiedene Gründe haben: eine vorübergehende kognitive Schwäche, etwa aufgrund eines Schlafapnoe-Syndroms oder einer psychischen Überbelastung, eine bleibende leichte Beeinträchtigung, z.B. aufgrund einer Hirnverletzung, oder aber die Vorstufe einer Demenzkrankheit. Oft lässt sich die Ursache nicht mit Sicherheit feststellen und der Arzt ordnet daher sechs bis zwölf Monate später eine Nachuntersuchung an.

Sind andere Krankheiten die Ursache?

Bei zahlreichen Krankheiten können Symptome auftreten, die einer Demenz ähnlich sind, bei denen das Gehirn jedoch nicht direkt erkrankt ist. Man spricht in diesem Fall von einer sekundären Demenz. Eine solche kann unter Umständen mit einer entsprechenden Behandlung stabilisiert oder gar rückgängig gemacht werden, etwa im Fall von Stoffwechselstörungen oder einem Vitaminmangel. Der Arzt sucht somit nach anderen Krankheiten, die für die Verschlechterung der Gehirnleistung verantwortlich sein könnten. Dazu gehören auch psychische Erkrankungen wie z.B. eine Depression. Auch körperliche Erkrankungen können ähnliche Symptome verursachen, so z.B. Infektionen, eine Hirnblutung oder eine Störung des Hirnwasserkreislaufs. Zu den weiteren möglichen Ursachen zählen Alkohol- und/oder sonstiger Suchtmittelmissbrauch sowie Nebenwirkungen von Medikamenten. Wird eine solche Ursache gefunden, führt eine gezielte Behandlung meist zu einer Stabilisierung oder Besserung der Symptome.

Um welche Demenzerkrankung handelt es sich?

Werden andere Krankheiten ausgeschlossen und eine Demenz diagnostiziert, kann mit grosser Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, um welche Demenzform es sich handelt. In über zwei Dritteln der Fälle handelt es sich um eine Alzheimer-Krankheit oder um eine vaskuläre Demenz. Daneben gibt es jedoch zahlreiche weitere Demenzkrankheiten (siehe auch Infoblätter: «Häufige Demenzerkrankungen», «Seltene Demenzerkrankungen»).

Wie fortgeschritten ist die Erkrankung?

Bei der Diagnosestellung wird auch das Krankheitsstadium ermittelt. Die Unterscheidung zwischen leichter, mittelschwerer und schwerer Demenz ist wichtig, um eine angemessene Therapie und Betreuungsform zu planen.

Die ersten Schritte beim Hausarzt

Die Abklärung einer Demenz findet zunächst bei der Hausärztin oder beim Hausarzt statt:

  • Im Zentrum steht ein ausführliches Gespräch mit der betroffenen Person und einer oder mehreren ihrer Vertrauenspersonen. Die Beobachtungen von Angehörigen oder Freunden ist für die Diagnosestellung wichtig. Diese sollten am Gespräch teilnehmen. Dazu braucht es natürlich das Einverständnis der betroffenen Person.
  • Es folgen verschiedene körperliche und neurologische Untersuchungen sowie eine Blutanalyse.
  • Der Arzt oder die Ärztin setzt weiter Kurztests zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Gehirns ein. Zu den bekanntesten Tests gehören der MMSE (Mini Mental State Examination) und der Uhrentest, daneben andere wie MoCA, Mini-Cog und Brain-Check.
  • Der Arzt kann auch ein MRI oder ein anderes bildgebendes Verfahren verordnen (siehe weiter hinten).

Zusätzliche Schritte beim Spezialisten

Braucht es eine weitere, spezialisierte Abklärung?

Ist das Resultat der hausärztlichen Abklärung auffällig, unklar oder nicht typisch, findet meist eine weitere Untersuchung in einer Memory Clinic statt. Dort arbeiten Fachleute aus verschiedenen Disziplinen zusammen, also zum Beispiel Neurologen, Neuropsychologen, Geriater und Psychiater. In interdisziplinären Diagnosekonferenzen werden die Befunde der verschiedenen Fachleute zusammengeführt. In einer Memory Clinic werden zur Abklärung neben körperlichen Untersuchungen vor allem folgende Verfahren eingesetzt:

Neuropsychologische Abklärung

Neuropsychologische Tests spielen eine zentrale Rolle bei der Demenzabklärung. Sie liefern ein differenziertes Bild der kognitiven Fähigkeiten sowie wichtige Informationen in Bezug auf die Fahreignung. Überprüft werden die kognitiven Funktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprache und Sprechen, Raumverarbeitung, motorische Fähigkeiten sowie das Verstehen und Verarbeiten von Sinneseindrücken. Zusätzlich wird das Verhalten und die psychische Befindlichkeit der betroffenen Person untersucht.

Geriatrische Beurteilung

Die geriatrische Beurteilung trägt wichtige Informationen zur Gesamtabklärung bei. Geprüft werden etwa die Selbstständigkeit im Alltag, die Mobilität (z.B. Ganganalyse, Gleichgewichtstestung), die Funktion der Sinnesorgane, der Ernährungszustand und die medikamentöse Behandlung als Ganzes.

Bildgebende Verfahren

Als bildgebende Verfahren werden Techniken bezeichnet, welche die Struktur oder die Funktionsweise des Gehirns abbilden. Sie ergänzen die neuropsychologischen Tests. Dazu gehören:

  • Die MRI-Untersuchung (Magnetresonanz- oder Kernspintomographie) liefert Bilder der Struktur des Gehirns. Sie hilft bei der Verfeinerung der Diagnosestellung, indem sie krankhafte Veränderungen im Gehirn wie Gefässveränderungen, Schrumpfungen, Tumore und ähnliche Veränderungen sichtbar macht. Sie kann auch Hinweise auf den Stand des Abbaus und die Demenzform liefern.
  • Das CT-Scan (Computertomografie) wird bei älteren Patienten mit typischen Symptomen an Stelle des MRI eingesetzt, da es weniger belastend ist.
  • Das PET- (Positronen-Emissions-Tomographie) und das SPECT-Verfahren (Einzelphotonen-Emissions- Computertomographie) sind funktional bildgebende Verfahren, die Veränderungen der biochemischen Vorgänge im Gehirn mit Hilfe eines Kontrastmittels bildlich aufzeigen. Dank ihrer hohen Empfindlichkeit helfen sie bei der Erkennung einer Demenzerkrankung im Frühstadium und bei der Abgrenzung zwischen verschiedenen Demenzformen. Allerdings sind PET und SPECT relativ aufwändige Verfahren, die zur Demenzabklärung nur in Einzelfällen eingesetzt und von den Krankenkassen nur bedingt übernommen werden.

Weitere Verfahren

Liquordiagnostik

Durch eine Untersuchung des Hirnwassers mittels einer Lumbalpunktion können in speziellen Fällen entzündliche, autoimmune oder infektiöse Prozesse (z.B. Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) ausgeschlossen werden. Anhand von sogenannten Biomarkern lassen sich weiter die für die Alzheimerkrankheit spezifischen Eiweisskonstellationen erkennen.

EEG

Auch das Elektro-Enzephalogramm ist in speziellen Fällen bei der Differenzialdiagnose hilfreich, etwa wenn Epilepsie als Ursache der kognitiven Störungen in Frage kommt.

Genetik

Bei früh auftretenden familiären Demenzformen können gezielte genetische Analysen sinnvoll sein. Dabei ist aber eine entsprechende genetische Beratung vor und nach der Analyse unerlässlich.

Nützliche Hinweise zu Abklärung und Diagnose:

Die Abklärung einer Demenzerkrankung ist ein wichtiger, aber auch schwieriger, oft mit Ängsten verbundener Schritt. Folgende Hinweise sollen Ihnen dabei helfen.

Die betroffene Person will nicht zum Arzt

Die betroffene Person kann verschiedene Gründe haben, eine Demenzabklärung abzulehnen. Ihr Recht auf Selbstbestimmung muss respektiert werden. Sie mag durch den Rückgang der eigenen geistigen Leistungsfähigkeit verunsichert sein, vorerst aber nicht darüber sprechen wollen. Es kommt auch vor, dass Betroffene krankheitshalber bereits ab einem frühen Stadium der Demenz Veränderungen an sich selber nicht mehr wahrnehmen. Nahestehende Angehörige können in solchen Fällen im einfühlsamen Austausch versuchen, die betroffene Person zu einer Abklärung zu bewegen, um eine Diagnosestellung zu ermöglichen. Will die Person davon nichts wissen, ist es möglich, den Arzt vor dem nächsten Termin telefonisch über die eigene Besorgnis und konkrete Beobachtungen zu informieren.

Der Arzt findet die Situation nicht alarmierend

Es kann vorkommen, dass der Arzt trotz Anzeichen einer Demenz eine Abklärung unnötig findet. Experten empfehlen jedoch, eine Demenzabklärung durchzuführen, wenn die betroffene Person selbst auf das Nachlassen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit oder auf andere Schwierigkeiten hinweist oder wenn Angehörige davon berichten. Unterstreichen Sie dem Arzt gegenüber also, dass Ihnen eine genaue Abklärung wichtig ist. Sollte er dies ohne überzeugende Argumente ablehnen, bitten Sie um eine Überweisung an eine Memory Clinic.

Das Diagnosegespräch

Die Diagnose stellt den Abschluss der Demenzabklärung dar. Sie wird der kranken Person durch den Hausarzt oder eine Fachperson der Memory Clinic mitgeteilt, ausser die kranke Person wünscht dies nicht oder die Kenntnis der Diagnose würde ihr Wohlergehen gefährden. Nahestehende Angehörige sollten am Diagnosegespräch teilnehmen können, sofern die erkrankte Person dies nicht ausdrücklich ablehnt. Es ist nützlich, sich vor und beim Diagnosegespräch mögliche Fragen zu notieren, sich Zeit zu nehmen und bei Unklarheiten nachzufragen. Die Diagnose erfährt man zusammen, doch im Zentrum steht die betroffene Person – sie braucht in diesem Moment wie auch danach die Unterstützung der Angehörigen. In diesem Gespräch kann man womöglich nicht alle Informationen aufnehmen. Vielleicht lässt sich sogleich ein weiterer Termin vereinbaren, um besprechen zu können, wie es nun weitergeht. Es lohnt sich, nach Informationsmaterial zu fragen, das zu Hause in Ruhe studiert werden kann. Erkundigen Sie sich nach der Adresse der Beratungsstelle der kantonalen Sektion von Alzheimer Schweiz.